Ein Achtsamkeitstipp von Cornelia Reindl.
Kaleidoskop der Sinne
Manchmal passiert nicht viel Neues und trotz aller Fantasie von Eltern und Kindern schleicht sich Langeweile ein. Gerade in dieser „Flaute“ des Alltags können wir als Familie gemeinsam Neues entdecken, indem wir einfach unsere fünf Sinne aktivieren.
„Mir ist so langweilig!“ seufzt Otto. Mira weiß auch nicht so recht etwas mit sich anzufangen und beide haben keine Lust auf Brettspiele oder Bücher, mit denen sie sonst unendlich viel Zeit verbringen. Sie warten auf Oma, die zum gemeinsamen wöchentlichen Entdeckungsspaziergang kommt. Das dauert aber noch so lang und was sollen sie bis dahin tun? Zum Glück fällt Mama immer etwas Neues ein. „Heute, Ihr Lieben, schauen wir mal, was alles passiert, während nichts passiert, okay?“. Hm, das klingt seltsam, aber auch ein bisschen geheimnisvoll. Otto und Mira sind skeptisch, aber meistens wird es lustig, wenn Mama eine Idee hat. Die drei setzen sich gemeinsam auf den „fliegenden“ Kinderzimmerteppich. Dieser Platz hat sich für Abenteuerreisen bereits bestens bewährt.
„Wisst ihr, was ein Kaleidoskop ist?“, fragt Mama. Mira kennt die bunten Guckrohre, denn im Kindergarten gibt es mehrere davon. „Ja! Das ist ganz toll, da schaut man durch und sieht alles bunt! Und wenn man sich dreht und woanders hinschaut, sieht es immer wieder anders aus. Kein Blick ist so wie der Andere!“ Otto staunt. Das klingt wie ein Zaubergerät! „Heute probieren wir mal das Kaleidoskop der Sinne aus,“ erklärt Mama. „Dafür brauchen wir gar kein Rohr zum Durchschauen, wir haben es immer dabei!“. Jetzt wird es wirklich spannend!
Als erstes heißt es, uns umzuschauen, was sehen wir um uns herum? Die drei lassen ihre Blicke durchs Zimmer schweifen, die Spielsachen, das Hochbett, … Otto beginnt schon fast wieder jammern, weil ja alles so ist wie gerade eben noch, als Mira Ottos Lieblingsflugzeug entdeckt, dessen Flügel unter einem Haufen Bücher hervorlugt. Das hat er den ganzen Tag schon gesucht und jetzt ist es einfach wieder aufgetaucht, juhuu! Otto schärft seine Beobachtungen und hält sich dazu seine Hand wir ein Fernrohr vor die Augen. Da entdeckt er auch direkt unter dem Bett eine verloren geglaubte Socke, die vom Flugzeug direkt in die Wäschetruhe transportiert wird. Gemeinsam retten sie eine kleine Spinne, die sich an die Zimmerdecke verirrt hat, ins Freie.
Dann legt Mama ihre Hand ans Ohr, wie eine Muschel, und lauscht. Mira und Otto machen es ihr nach, das funktioniert am besten mit geschlossenen Augen. Die drei hören die Spülmaschine in der Küche leise rumpeln und den Staubsauger der putzwütigen Frau Emsig dröhnt von nebenan. Vor allem aber hören sie das Vogelorchester von draußen, es piept, zwitschert, gurrt, krächzt, pfeift, trällert und jubiliert vor dem Fenster, dass es eine wahre Freude ist. Dieses lustige Konzert ist Otto noch nie aufgefallen, staunt er, und öffnet das Fenster ganz weit, um alles genau zu hören. Ob die Vögel wohl Hochzeit feiern?
Weiter geht es mit dem Spürsinn. Die Kinder spüren gleich die warme Luft, die durch das Fenster hereinströmt, auf den Armen und im Gesicht. Wie eine flauschige Decke fühlt sich das an.
Es folgt ein kleines Spiel: Mama piekt ganz sachte an eine Körperstelle, Otto in den Bauch und Mira an die Schulter. Beide finden den Punkt fast ganz genau wieder, obwohl sie die Augen wieder zu haben. Dann setzen sich Mira und Otto auf den fliegenden Teppich Rücken an Rücken und spüren, wie schön warm es von hinten wird. Das wollen die beiden natürlich auch mit Mama ausprobieren!
Mama hat noch mehr Sinne auf Lager, den Geruchssinn und den Geschmackssinn. Mira und Otto gehen auf den Balkon und strecken die Zunge ganz weit heraus. Kann man da was schmecken? Die warme Luft schmeckt ein bisschen nach Moos und Gras, denn vor einer Stunde hat es heftig geregnet und jetzt scheint die Sonne. Es riecht erdig und frisch, ein kleines bisschen auch nach Dampf und feucht nach dem Regen.
Plötzlich reißt ein schrillendes Geräusch die beiden aus der Expedition der Sinne. Oma hat an der Tür geklingelt und es geht auf zum Entdeckerspaziergang! Das passt ja wunderbar, denn unterwegs können sie gleich weiterforschen und schauen, was es zu sehen, zu hören, zu fühlen, zu riechen und zu schmecken gibt. Vanille oder Erdbeere, soviel ist sicher, denn mit Oma gibt es am Ende des Spaziergangs immer ein kleines Eis aus dem Bioladen um die Ecke!
Voller Vorfreude, Oma ihre neuen Entdeckungen berichten zu können, ziehen sich die Kinder fast ganz allein an und geben Mama einen Kuss. Bevor die beiden aus dem Haus stürmen, verrät Mama Otto und Mira noch den Zauberspruch zum Kaleidoskop der Sinne:
Wo du auch bist, kannst du Entdecker sein,
dafür hast du fünf Helferlein:
Schau ganz weit und dann ganz nah,
war das gerade auch schon da?
Horch mit den Ohren, lausche ganz genau,
so aufmerksam wie eine Fledermaus.
Deine Nase kann schnüffeln
nach Düften und Trüffeln.
Schmecke langsam wie eine Schnecke,
so wirst du noch mehr entdecken.
Was Hand und Fuß berühren
wir staunen, was wir alles spüren!
So bunt ist die Welt, drum halte inne
mit deinem Kaleidoskop der Sinne!