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Ein kurzer Streifzug durch die literarische Welt der Christine Nöstlinger.

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Was in der Schultüte nicht fehlen darf …

Denke ich an Schulstart, denke ich unweigerlich an Christine Nöstlinger! Das liegt wahrscheinlich an ihren Geschichten von der Mini und dem Franz, die ich als Buchhändlerin so oft und so gerne für Kunden aus den Erstlese-Regalen gefischt habe. Denn diese Büchlein sind so viel mehr als nur eine geeignete Leseübung in der richtigen Schriftgröße. „Da ist jeder Satz so gebaut, dass er rasch erfasst werden kann, da findet man kein Wort, über das ein Volksschüler stolpern würde, die Länge ist optimal, die Geschichten sind aus ihrer Lebenswelt gegriffen. Und vor allem: Es gibt Nachschub!“ Mit 14 Mini-Abenteuern und gleich 20 Franz-Geschichten bieten die Reihen nicht nur die Möglichkeit, den Deckel einer Geschichte zu schließen und gleich den nächsten aufzuklappen. Auch die gewählten Stoffe – von Fußball bis Pferde, von Schule bis Ferien, von Familie bis Liebe – bieten eine breite Auswahl für die junge Leserschaft und da ist sicher für jeden Erstleser was dabei! „Deshalb der Rat an alle Eltern: Lest die Geschichten von Mini und Franz nicht vor. … Wartet ab, und lasst die Kinder ihre Nöstlinger selber entdecken.“

Und wurde sie erst entdeckt, so ist sie eine lesenswerte Begleiterin über die Volksschuljahre hinweg. Denn neben den genannten Erstleser-Reihen von Mini und Franz gibt es unzählige Kinderbücher, von denen jedes einzelne empfehlenswert ist!

Herausgreifen möchte ich hier „Die feuerrote Friederike“, Christine Nöstlingers Erstlingswerk, das entstanden ist, weil die gelernte Grafikerin zu ihren Illustrationen eine Geschichte geschrieben hat. Es handelt von einem kleinen, furchtbar gehänselten Mädchen mit zauberhaften roten Haaren, das am Ende mit der Hilfe des farbenblinden Briefträgers und seiner gütigen Frau in ein Land fliegt, indem alle Menschen glücklich sind. Und das Buch wurde ein großer Erfolg, was Christine Nöstlinger das Interesse zahlreicher Verleger einbrachte. „An Geschichten von mir, die Illustrationen wollten sie von jemand anderem machen lassen. Das tat ein bisschen weh. Eigentlich hatte ich die Geschichte … doch nur erfunden, um aus den Bildern ein Buch zu machen. Aber Erfolg tröstet, und ich sagte mir: Hauptsache, du kannst etwas! Und wenn du besser schreiben als zeichnen kannst, dann schreibst du eben. Macht ohnehin mehr Spaß!“


In diesem Buch sind auch schon alle Zutaten enthalten, die Nöstlingers Werk ausmachen. Geschichten aus dem Leben in all seinen Facetten gepaart mit helfenden Händen, Traumwelten und ein wenig Zauberei. Der Grundgedanke ist dabei, wie sie selbst sagt, Bücher so zu schreiben, dass „sie die Kinder auf einem Niveau, für das weder ich, noch die Kinder sich genieren müssen, unterhalten.“ Durch diese Ausrichtung gelingt es ihr, den Kindern sprachlich aber auch inhaltlich auf Augenhöhe zu begegnen. Ihre Sprache fördert das Lesevermögen, überfordert dabei aber nie. Ihre Inhalte bergen viel Realität in sich und die Realität ist nicht immer schön! Aber gerade dieser ehrliche Zugang fesselt ihr Publikum und Nöstlinger zeigt auch Auswege aus scheinbaren Sackgassen, sei es nun durch die Hilfe anderer Menschen, durch die Macht der Fantasie oder durch Humor.

Wer nun glaubt, Christine Nöstlinger ist also was für die Kleinen, hat aber weit gefehlt. Denn das Oeuvre der Autorin reicht weit über Kinderbücher hinaus.

Mit ihren zwei autobiographischen Jugendbüchern „Maikäfer, flieg“ und „Zwei Wochen im Mai“ hat sie die Kindheit im Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit auf eine unwiederbringliche Art festgehalten, bei der „die frühen Erinnerungen der … Wiener Schriftstellerin mitreißend die Perspektive eines kleinen Mädchens einnehmen, das alles sieht und nicht alles versteht, aber vorbehaltlos wiedergibt.“ Dazu gesellen sich zahlreiche weitere Jugendbücher über Freundschaft, Liebe und das Erwachsenwerden.

Und dann gibt es natürlich auch noch ihre Arbeiten für Erwachsene. Bereits 1974 erscheint ihr erster Gedichtband „Iba de gaunz oaman Kinda“, der mit den Jahren um die Bände „Iba de gaunz oaman Fraun“ und „Iba de gaunz oaman Mauna“ ergänzt wird.

Nöstlinger beschreibt hier im Wiener Dialekt eine traurige soziale Wirklichkeit, die sie Kindern so nicht zumuten will. Daneben beginnt sie in den 1980ern Kolumnen für den Boulevard zu verfassen und veröffentlicht einiges rund um das Leben als Frau und Mutter. So entstehen humorvoll bissige Glossensammlungen (so wie„Salut für Mama“) und Kochbücher (etwa „Mit zwei linken Kochlöffeln“) die man am besten dann in die Hand nehmen sollte, wenn einem der Dampf schon bei den Ohren rauskommt. Denn so wie bei den kleinen gelingt es Nöstlinger auch bei ihren großen Lesern humorvolle Auswege aus Sackgassen aufzuzeigen, in die das Leben einen führen kann!

Denke ich an Schulstart, denke ich unweigerlich an Christine Nöstlinger! Denke ich an Christine Nöstlinger, denke ich hingegen nicht nur an Erstleser, sondern an Bücher für Jung und Alt, an Literatur, die nicht belehrt, sondern Kraft schenkt und Schmunzeln macht. Drum packt eure imaginären Schultüten und gebt – egal wie alt ihr seid – eine Nöstlinger hinein. Ihr werdet es nicht bereuen!

Sollte dieser Text Ihr Interesse an der Autorin Christine Nöstlinger geweckt haben, sei Ihnen die Website www.christine-noestlinger.at wärmstens ans Herz gelegt. Dort findet sich ein zitatenreicher Lebenslauf ebenso wie eine Kurzbeschreibung ihrer Werke.

Genannte Bücher:

  • Christine Nöstlinger, Geschichten vom Franz. Serie, erschienen zwischen 1984 und 2011
  • Christine Nöstlinger, Mini. Serie, erschienen zwischen1992 und 2007
  • Christine Nöstlinger, Die feuerrote Friederike. Wien, Jugend und Volk 1970
  • Christine Nöstlinger, Maikäfer, flieg! / Zwei Wochen im Mai. Weinheim, Beltz & Gelberg 1995
  • Christine Nöstlinger, Iba de gaunz oaman Kinda. Wien, Jugend und Volk 1974
  • Christine Nöstlinger, Iba de gaunz oaman Fraun. Wien, Jugend und Volk 1982
  • Christine Nöstlinger, Iba de gaunz oaman Mauna Wien, Jugend und Volk 1987
  • Christine Nöstlinger, Salut für Mama. St. Pölten, Niederösterreichisches Pressehaus 1992
  • Christine Nöstlinger, Mit zwei linken Kochlöffeln. Wien, Jugend und Volk 1993

Verwendete Quellen:

  • Katrin Nussmayr, Interview mit Christine Nöstlinger „Habe auf spießige Eltern nie Rücksicht genommen“. Wien, Die Presse 25.9.2019
  • Christine Nöstlinger, Glück ist was für Augenblicke. Erinnerungen. St. Pölten, Residenz 2013
  • Nachruf „Maikäfer, flieg!“. Frankfurt am Main, Frankfurter Rundschau 16.07.2018
  • Noestlinger. Online unter:  https://www.christine-noestlinger.at/christine-noestlinger/leben, 03.09.2021

Fotocredits: AdobeStock, unsplash.com

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